Im Oktober 2018 lief ich zwischen zwei Kursen nach einem Toilettengang die Treppe zum Kursraum hinunter. Plötzlich knickt mein Bein um, es machte ein lautes knackendes und fatzendes Geräusch und ich lag am Boden. Ich weiß nicht wie und warum es passierte, ich weiß nur, dass mir der Gedanke durch den Kopf schoss: Das hat sich nicht gut angehört - da ist definitiv Etwas kaputt gegangen.
Ich überlegte, ob ich nach Hilfe schreien sollte, was mir aber irgendwie unangenehm erschien und entschied mich erstmal liegen zu bleiben. Adrenalin pur strömte durch meinen Körper und katapultierte mich in diesen surrealen Zustand des "Drüber Stehens", so dass ich mich nach einigen Minuten am Treppengeländer hochzog und mühsam aber doch in den Kursraum zurück humpelte und meinen letzten Rückbildungskurs an diesem Tag zu Ende führte.
Ich fuhr mit dem Auto auch noch nach Hause und erzählte beim Mittagstisch von meinem Unfall, zeigte meinen Knöchel und mit einem Blick war klar, dass viel Adrenalin zwar eine temporäre rosa Brille zu zaubern vermag, mein auf Straußenei Größe angeschwollener Knöchel jedoch nun definitiv medizinische Beachtung brauchte.
Der Unfallmediziner meines Vertrauens stellte schließlich fest, dass ich eine Fraktur am Knöchel und einen Bänderriss hatte und für die nächsten Wochen ausfallen sollte, was mich mehr in Angst versetzte als die Schmerzen an sich.
Wie sollte ich Kurse geben, unterrichten oder Geburten begleiten, wenn ich nicht laufen kann? Wie meine Lebenskosten und laufenden Kosten der Praxis begleichen?
Glück im Unglück zu diesem Zeitpunkt war, dass wir uns quasi im Landeflug auf Weihnachten zu bewegten und ich nicht mehr viele Kurstermine zu bestreiten hatte, keine Geburtsbegleitungen anstanden und ich meine Fortbildung auch sitzend abhalten konnte.
Dennoch musste ich die ersten Wochen nach dem Unfall pausieren und konnte keine Einnahmen generieren. Anschließend bewegte ich mich mit Schiene und Krücken und war extrem in meinem Alltag eingeschränkt.
Die Genesung des Knöchels, begleitet von mehrmonatiger Physiotherapie und erneutem Bändereinriss nach einer zu frühen falschen Belastung, dauerte mehr als 12 Monate und auch heute, 17 Monate später ist die Funktionalität noch immer nicht zu 100% wieder hergestellt - vielleicht für immer.
Trotz der vielen Begleitumstände würde ich sagen, dass ich noch Glück im Unglück hatte, durch die zeitliche Lage des Unfalls, durch die "geringe" Verletzung und der Tatsache, dass ich gut versichert war und bin, da ich neben meiner Krankenversicherung auch privat Unfall versichert und Mitglied der BGW bin.
Viele Menschen denken, dass im Fall eines Unfalls die Krankenkassen oder Rentenversicherungen für den Moment ebenso wie Langzeitschäden aufkommen.
Die gute Nachricht ist: Ja, sie tun es, jedoch nur bedingt und nur, wenn es im Rahmen eines privaten Unfalls zu einer Verletzung kommt.
Mein Unfall ereignete sich im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit als Selbstständige und somit reicht der Schutz durch die Krankenkasse nicht aus. In einem Fall, wie von mir beschrieben, braucht es eine zusätzliche berufliche Unfallversicherung. Diese greift bei Unfällen während der beruflichen Tätigkeit ebenso wie auf der Fahrt zur oder von der Arbeit auf direktem Wege nach Hause. Den Schutz zur oder von der Arbeit übernimmt im übrigen auch die private Unfallversicherung.
Die berufliche Unfallversicherung ist gesetzlich verpflichtend in Deutschland muss deshalb auch von jeder Doula und Kursleiterin abgeschlossen werden bei der sogenannten #BGW, deren Hauptverwaltung sich in München befindet.
Die BGW, Berufsgenossenschaft für Wohlfahrtsdient und Gesundheitspflege, bezahlt nicht nur Tagegeld im Rahmen eines Arbeitsunfalls bei Selbstständigen, sondern kommt auch bei einer eingetretenen Berufsunfähigkeit in Folge eines Unfalls mit einer lebenslangen Arbeitsunfallrente auf. Ob diese ausreichend ist um den Lebensstandard zu halten, bespreche ich im fünften Teil dieser Serie zum Thema #Berufsunfähigkeitsversicherung.
Aktuell beträgt der Beitrag für Doulas 160,00 Euro für 12 Monate und das Formular kann online ausgefüllt oder ausgedruckt werden: https://www.bgw-online.de/SharedDocs/Downloads/DE/Medientypen/Formular/MUB044_Anmeldung-zur-gesetzlichen-Unfallversicherung_Download.pdf?__blob=publicationFile
Wichtig zu beachten ist, dass die Beiträge zur BGW rückwirkend gefordert werden können für mindestens vier Jahre, sofern die Anmeldung versäumt wurde, die immer ab Beginn der Aufnahme der Tätigkeit zu tätigen ist!
Sollte jemand mehr als eine Art der Tätigkeit ausüben, orientiert sich die Zugehörigkeit der BGW immer am Kerngeschäft und es ist nur einmal ein Beitrag zu zahlen unabhängig der Anzahl unterschiedlichen Tätigkeiten. Angeben und anmelden muss man jedoch alle Teilbereiche seiner Tätigkeiten.
Soweit so gut, was passiert jedoch, wenn ich einen Freizeitunfall habe und in Folge nicht mehr arbeiten kann?
Handelt es sich bei den Arbeitsunfällen "nur" um eine gute Million Menschen in Deutschland, sind es bei den Freizeitunfällen mehr als drei Millionen Menschen, die unerwartet verunglücken und in Folge mehr oder weniger Schäden davontragen.
Für uns als Selbständige kann es bereits existenzbedrohend sein, wenn wir zwei Wochen ausfallen, durch Krankenhausaufenthalt oder wie bei mir einer Bettlägerigkeit, die kein Arbeiten außer Haus mehr zulässt.
Was wäre also passiert, hätte ich mir den Knöchel beim Joggen gebrochen?
Selbstverständlich wäre erstmal die Krankenkassen eingetreten und hätte meine Behandlungskosten auch in diesem Fall übernommen. Damit wären die Leistungen jedoch auch schon erfüllt von Folgekosten wie Physiotherapie abgesehen.
Nicht versichert wären jedoch Schäden, die ich an anderen im Rahmen eines Unfalls in der Freizeit verursache, als auch eine mögliche eigene Teil - wie Vollinvalidität, sowie teilweise Bergungskosten.
Mit einer Teil- oder Vollinvalidität wäre in meinem Berufsfeld die Konsequenz verbunden, dass ich berufsunfähig werde und meine Lebenskosten nicht mehr tragen könnte. Es könnte auch sein, dass ich Umbauten am Haus, Auto usw. vornehmen lassen müsste, um meinen Alltag weiter zu beschreiten. Im Todesfall würden ad hoc Kosten auf meine Familie zukommen, die aus dem Nichts heraus zu stemmen wären. Vielleicht bräuchte ich auch einfach nur ein Auto, das dem Grad meiner Invalidität angepasst ist oder Geld um mein Essen, meine Miete und Therapien bezahlen zu können, bis alles weitere geklärt ist.
Aus diesen und weiteren Gründen, sollte jeder Mensch zusätzlich eine private Unfallversicherung abschließen und hierbei genau darauf achten, dass die Deckungssumme bei Vollinvalidität entsprechend hoch ist.
Viele denken: "Ach was, wird schon nichts passieren und Versicherungen dienen ja nur sich selbst, um Geld zu scheffeln indem sie an der Angst von Menschen gut verdienen".
Ich sage, das stimmt: JA und NEIN!
JA, natürlich müssen Versicherungen Geld verdienen, um im Fall des Falles für Schäden aufkommen zu können. Wie sonst sollten Versicherungen nach einem Unfall, einem plötzlichen von außen eintretendem Ereignis, das zu einer Gesundheitsschädigung führt, die Lebenskosten und mögliche erforderliche Umbauten und Anschaffungen bei Invalidität sonst tragen?
Versicherungen sind immer solange sinnlos, solange wir sie nicht brauchen, wenn der Fall der Fälle dann jedoch eintritt und es ist keine Absicherung vorhanden, dann fällt zu oft das Wort: NEIN, das hätten sie privat abdecken müssen und wir können ihnen leider an dieser Stelle nicht weiterhelfen und dann ist für ein "Ja" leider zu spät.
So kann ich aus Erfahrung nur Folgendes schließen:
FAZIT:
+ BGW als gesetzliche Unfallversicherung verpflichtend für Selbstständige im Bereich Doulabegleitung, Kursleitung und Schwangerenbetreuung und absolut SINNVOLL
+ Freiwillige private Unfallversicherung als Sicherung des Lebensstandards und Absicherung bei Invalidität absolut SINNVOLL und empfehlenswert.
Morgen geht es weiter mit dem Thema: BERUFSHAFTPFLICHT und der Frage:
" Sinnvoll, notwendig oder etwa Beides?"
Bis morgen, Deine Doula Sylvia Fischer
Leitung der #Doula_Ausbildung #DieBauchflüsterinnen
Die Serie zum Thema Versicherung schreibe ich aus Verantwortung allen Doulas und Kursleiterinnen gegenüber, um Infos bereit zu stellen, die existentiell wichtig sind, da ich immer wieder erlebt und mitbekommen habe, dass diese Berufsgruppen bedauerlicherweise oft nur marginal oder falsch informiert sind. Die Angaben sind so formuliert, dass sie Versicherungsunabhängig zu lesen sind.
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